Patina
„Da muss noch Patina drauf“
… ist ein beliebter Spruch von Stadtplanern und meint etwa, dass das Neue noch eingelebt werden muss und menschliche Gebrauchsspuren bekommt, dass das Altern der Gebäude sichtbar wird und eine gewisse Aneignung durch die Bewohner stattfindet. Aber was, wenn diese Spuren in der heutzutage vandalismusfesten Ausführung gar nicht sichtbar werden? Oder im Reinigungs- und Sanierungsturnus der Hausverwaltungen schnell wieder entfernt werden? Dürfen, können unsere Städte sich gebraucht zeigen und auch verwandeln?
Nach viel Kritik an den kompakten Wohnblöcken in den vorherigen Arealen setzte die Stadtplanung im 4. Bauabschnitt der Messestadt stärker auf eine losere kubische Bebauung. Statt Durchgängen, die sonst in die Höfe führen, ergab sich zwischen den Häusern hier ein halböffentlicher Raum mit Zugangswegen und Grünstreifen.
Der Raum dazwischen
Eine Methode in der Gestaltung von städtischen Quartieren kann darin bestehen, baulich eine strukturelle Grundordnung zu schaffen, in der dann wiederum Unterschiedliches und Vielfältiges möglich wird. Wenn allerdings Planung und Gestaltung sich monoton wiederholen, Nutzungen starr festgeschrieben sind und die Standards der Hausverwaltung alles nicht Vorgesehene vorbeugend einhegen, bleibt eben alles so wie es ist. Das Ergebnis zeigt sich nicht selten in einer etwas steril wirkenden, pflegeleichten und vandalismusfesten Aufgeräumtheit, in der Menschen dann auf kargen Bänken sitzen können und – ja, was noch eigentlich?
Sich hier treffen? Auf die Hochstammbäume werden Kinder nicht klettern können und auch Boulespielen wird eher nicht stattfinden. Wird hier noch etwas anderes passieren als „Wohnen“?
Szenenwechsel: Waschtag wie in Italien
In der Altstadt von Genua spannen die Bewohner zwischen den Gassen Wäscheleinen zu den Nachbarn gegenüber. Als der ehemalige Regierungschef Berlusconi die Menschen in der Stadt aufforderte, dies zum G7-Gipfel in der Stadt nicht zu tun, weil das einen schlechten Eindruck mache, hängten erst recht viele Leute ihre Wäsche raus.
Auch in Deutschland gab es früher in den Wohnanlagen große Wäschestangen mit langen Leinen zum Aufhängen. Das Verfahren hat Vorteile: Man braucht keinen Trockner und keinen teuren Strom, für die Wäsche ist es schonender, und an der frischen Luft getrocknet riecht sie zudem noch gut. Man muss das Wetter halt ein bisschen im Blick haben. Allerdings: Kann es sein, dass heute niemand mehr die eigene Wäsche öffentlich zeigen will?
Und was würde sich da noch zwischen den Häusern machen lassen? Blumen/Steingärten? Ein Kräutergarten zum Zupfen für alle? Oder gleich Gemüse anpflanzen? Spielfelder? Minigolf?
Einfach mal selber ein Möbel hinstellen? Einen Tisch? Schöne bequeme Bänke? Würde dies wie hingestelltes Gerümpel wirken?
Früher gab es oft die gemeinsame Bank vor dem Haus, wo die Leute sich abends trafen, ratschten, Karten spielten und zusammenkamen. Gibt es dafür heute kein Bedürfnis mehr? Wollen wir nur einfach unsere Ruhe haben?
Was könnte hier sein, das beim Vorbeigehen überrascht oder worüber man sich freuen würde? Eine interessante Beleuchtung? Skurrile Gartenzwerge, die kleine Geschichten erzählen? Street Art, eine vielseitige Kunstrichtung im Stadtraum, die meist mit dem Leben der Menschen zu tun hat? Passt so etwas in ein Wohngebiet?
Invader 2024 in München
Invader ist als Street-Art-Künstler bekannt dafür, dass er Figuren aus dem Computerspiel Space Invaders als Mosaikbilder verewigt und diese auf der ganzen Welt aufhängt. Neulich war er anscheinend in München und hat dort eine Reihe von gepixelten Werken auf Fassaden und Dächern hinterlassen. Seine reduzierten Motive könnten sich auch gut an Hausfassaden in der Messestadt machen.