Freiham
Wo anders?
Freiham.
Im Westen was Neues
Dichte muss nicht per se die Lebensqualität schmälern. Im Gegenteil: Läden, Cafés und Restaurants benötigen die „kritische Masse“ an Publikum, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Und auch das, was wir unter urbanem Leben verstehen, benötigt eine gewisse Unübersichtlichkeit und Verschiedenheit der Menschen.
Über rechte Winkel hinaus
Im Gegensatz zur Messestadt ist Freiham nicht rigide im rechten Winkel angelegt, was dem Straßenleben bzw. -erleben sicher guttut. Selbst durch geringe Verschiebungen der Baukörper entstehen Unregelmäßigkeiten und Überschneidungen und damit wechselnde Perspektiven mit Nischen und Kanten. Räume verengen und weiten sich, der städtische Raum wird für Passanten lebendig und interessant.
(Bei immer geraden Straßenfluchten ist der vor einem liegende Raum bereits klar und es wird beim Durchqueren auch keine wesentlichen Überraschungen mehr geben. Es wird dann langweilig, eine schnurgerade 300 m lange Straße entlangzulaufen. Ähneln sich dann auch noch die Fassaden und Baukörper, wird es vollends schwer, beim Gehen in einen Rhythmus zu kommen, der einen durch die Stadt trägt.)
Klötzchenbau
Auch in Freiham ist vorwiegend der Gebäudetyp „Bauklötzchen mit Lochfassade“ (mit Löchern sind die Fenster gemeint) zu sehen. Allerdings sind die Gebäude höher und dichter angeordnet als in der Messestadt-Riem. Zudem dürfen die Fassaden hier farbig sein und Materialität haben, eine Erkennbarkeit ist gewünscht. Doch die Farbigkeit hat aber auch hier ihre Grenzen. Es dominiert das gedeckte Ton in Ton, kräftige Farben sind an den Häusern selten zu sehen. Auch Budget- und Planungsvorgaben im städtischen Wohnungsbau grenzen den Gestaltungsspielraum sehr ein. Man könnte jetzt sagen: „Mei, so ist halt der Baustil unserer Zeit“, und vielleicht ist das ja auch stimmig: Gebäude und Städte bilden wie ein Spiegel ihre jeweilige Zeit ab. Wie ist unsere Zeit?
Plaza und Quartierszentrum
Im Süden entsteht ein Stadtzentrum – Hochhäuser mit Läden, Büros und Gewerbeeinheiten. Die Shopping Mall wird in Freiham auf angrenzende Gebäude einer zentralen Plaza verteilt. So wird versucht, die Wucht und Masse eines in sich geschlossenen Kaufkomplexes zu verteilen und zugleich den Platz zu beleben.
An anderer Stelle im Viertel entsteht mit dem Quartierszentrum ein weiterer wichtiger Platz mit sozialen und kulturellen Einrichtungen wie Stadtbibliothek, Kultur- und Jugendzentrum, Läden, Gastronomie und Büros.
Generell versucht man hier, eine gute Verteilung von Gewerbe und weiteren Mischnutzungen zu etablieren, was in den Anfangsjahren eines frisch aus dem Boden gestampften Stadtteils generell nicht so einfach ist. Dazu gibt es auch in anderen Städten interessante neue Konzepte.
Sozialer Impetus
In Freiham werden vorwiegend Mietwohnungen für 30.000 Menschen errichtet. Städtische Träger wie die „Münchner Wohnen“ haben dabei einen Anteil von etwa 50 Prozent mit sozialen, geförderten und freifinanzierten Modellen, ungefähr ein Dritter entfällt auf Baugenossenschaften, und die restlichen 20 Prozent verteilen sich auf Investoren sowie ein geringer Teil auf Eigentumswohnungen privater Bauträger.
Damit ist der Stadtteil vielleicht das größte städtische Entwicklungsgebiet in Europa. Die Planung hat ihre Ursprünge bereits in den 60er Jahren, als die Stadt sich unter dem damaligen Oberbürgermeister Hans Jochen Vogel (SPD) das Baugebiet für die zukünftige Stadtentwicklung sicherte. Vogel hat sich zeit seines Lebens bis ins hohe Alter für eine gerechte und sozialverträgliche Bodennutzung eingesetzt, zuletzt noch mit seinem Buch „Mehr Gerechtigkeit“.
Lokaler Tipp: Mehr zum Thema in der Ausstellung im Schautreppenhaus in der Messestadt: „TbCity – teure billige Stadt“. Was hat Kunst mit Wohnungspolitik zu tun?